das hier ist mein insgesamt 50. Post der auf diesem Blog online gegangen ist! :)
Anlässlich dazu habe ich euch eine schöne Kurzgeschichte gezaubert! Ich habe auch viele neue Bilder gemacht, die werden auf alle Fälle folgen. Aber erstmal viel Spaß mit der Story! :)
Leer
Als sie die Augen
aufschlug, spürte sie eine seltsame Leere in sich. Mit einer bösen
Vorahnung tastete sie die Matratze links neben ihr ab. Sie war nicht
nur leer, sondern auch schon kalt. Wie immer nach solchen Tagen
konnte er nicht schlafen. Aber es war nicht nur der vergangene Tag
gewesen. Sein komplettes Leben war in den letzten Wochen nach und
nach, fast systematisch zerstört worden.
Sie kannte ihn, wusste,
was in ihm vorging und hatte mit ihm gelitten. Nachdem sein
Lebenstraum komplett durch einen Unfall ausgelöscht worden war, der
seinem Vater das Leben und ihm die Selbständigkeit genommen hatte,
war er kaum wieder zu erkennen gewesen. Die Trauer und die
Schulgefühle hatten ihn gezwungen sich zurück zu ziehen
und die Perspektive seines Lebens verloren zu wissen machte ihn sogar
so aggressiv, dass sie tagelang nicht zu ihm konnte.
Nach einiger Zeit
setzte die Resignation ein und er schien sich in seine Situation zu fügen. Er übernahm die Firma seines Vaters und erwirtschaftete
damit so viel Geld, dass er damit die besten Ärzte aufsuchen konnte.
Aber er blieb an den Rollstuhl gefesselt, sein Traum war längst
kalte Asche geworden. Auf Meetings und öffentlichen Veranstaltungen
hatte er sich eine professionell und geschäftsmäßig wirkende Maske
zugelegt, doch in seinem Alltag konnte sie beobachten, wie er mehr
und mehr zerfiel. Seine Haut war aschfahl geworden, die Augen lagen
tief in den Höhlen, unerreichbar, umrandet von dunklen Ringen. Nur
sehr selten bekam sie noch einen Rest seines alten lebendigen Ichs zu
Gesicht, den Mann, in den sie sich verliebt und mit dem sie alles
geteilt hatte.
Doch
in der Wirtschaft nimmt man nicht lange Rücksicht auf einen
Menschen, der alles verloren hat, diese Erfahrung musste er
schmerzlich machen. Nach und nach gingen die Investoren verloren. Es
war doch zu deutlich zu spüren, dass seine
Behinderung ihm Kraft raubte, und seine Überzeugung. Seine Visionen waren
zukunftsweisend, doch ihm fehlte das Geld um die entscheidenden Ohren
dafür zu öffnen. Die ersten roten Zahlen tauchten auf, und weil
sich nur noch alles verschlimmerte, folgten auf die erste Hypothek
auch schnell zwei weitere.
Sein Geschäft war am
Boden zerstört. Gestern also war ein Vertreter der
Insolvenzverwaltung gekommen und hatte ihm die ersten Pläne
unterbreitet, was mit dem kläglichen Rest der Firma geschehen
sollte. Das hatte ihn so belastet, dass er als er endlich nach Hause
kam, gereizt war und binnen weniger Minuten ein heftiger Streit
entbrannte.
Sie schrien sich an,
verharrten kurz, nur um erneut in einem Ausbruch zu versinken.
Schließlich hatten sie festgestellt, dass keiner von ihnen
verantwortlich für ihre Situation war und sie hatten schweigend zu
Abend gegessen. Danach waren sie ins Bett gegangen und sie hatte
seine Verzweiflung gespürt, als existiere sie physisch zwischen
ihnen. Er hatte noch lange neben ihr gelegen, ohne einzuschlafen,
doch schließlich hatte die Schwärze sie eingehüllt. Bis jetzt.
Sie
lauschte erst, ob er vielleicht wieder zurück ins Bett kommen würde,
doch schließlich schlug sie die Decke zurück, schwang die Beine aus
dem Bett und stand auf. Er hatte kein Licht gemacht. Die Wohnung lag
finster und gespenstisch leer da. Endlich hörte sie ein Geräusch.
Es kam aus dem Wäschekeller. Schnell stieg sie die Stufen hinunter,
dabei brannte sich die Kälte des Steins in ihre nackten Füße und
ließ sie erschaudern. Leise schlich sie den dunklen Flur entlang.
Sie ein metallisches Klicken, dann war wieder Stille. Was tat er da?
Mit
dem nächsten Schritt trat sie durch die Tür und sah ihm im matten
Gegenlicht des Fensters. Er saß in seinem Rollstuhl und blickte in
dem Moment auf, als sie registrierte was er da in der Hand hielt. Sie
erstarrte. Sie sah was Aufblitzen in seinen Augen – ein letzter Akt
des Widerstandes – und wusste im nächsten Moment, dass er keine
Kompromisse eingehen würde. Welche hätte es denn auch geben
sollen?!
Sie
wollte rufen, doch der Laut blieb ihr in der Kehle stecken. Hilflos
starrte sie auf ihn und musste mit ansehen, wie seine Bewegungen mit
eine todgeweihten Ruhe den Hahn spannte, die Waffe an die Schläfe
hob und wie er zu ihr aufsah. Wie in Zeitlupe sah sie ihn ausatmen
und dann, den Blick fest auf sie gerichtet drückte er den Abzug.
Endlich hatte sie die Gewalt über ihren Körper zurück, mit einem
Satz sprang sie auf ihn zu. Sein Kopf schleuderte zur Seite und sein
Körper sackte zusammen, als ein kehliger Schrei ihr durch den Körper
fuhr.
Es war ihr eigener
Schrei und sie erwachte davon, erschrocken ihre Stimme so fremd zu
hören. Sie setzte sich im Bett auf. Atemlos und schweißgebadet saß
sie da und blickte sich in dem geräumigen Schlafzimmer um.
Schließlich fiel es ihr auf. Die Matratze neben ihr war leer und als
sie die Hand darauf legte, spürte sie, dass bereits alle Wärme
davon gewichen war...