Samstag, 3. Januar 2015

Oxygen

Er versuchte verzweifelt zu Atem zu kommen, doch das Wasser drückte unerbittlich auf seinen Brustkorb, presste seine Lunge zusammen und drang unaufhaltsam durch Nase und Mund in seinen Körper ein. Er wollte schreien, doch stattdessen sah er das letzte bisschen kostbaren Sauerstoff aus seinem Mund entweichen und als silberne Blasen durch das dunkle Wasser davon treiben. Die Ränder seines Blickfeldes begannen bereits zu verschwimmen. Sein Gehirn brauchte dringen Sauerstoff und auch jeder einzelne Muskel seines Körpers schrie nach diesem simplen Molekül.
Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, eine verzweifelte Maßnahme seines Körpers, sein Gehirn vor Schäden durch Sauerstoffmangel zu schützen. Sein Zwerchfell barst schier durch den nie enden wollenden Reflex, das eindringende Wasser durch Husten los zu werden, doch es war zwecklos. Er spürte ein immer stärker werdendes heißes Brennen, das sich gegen die unerbittliche Kälte des Wassers durchsetzte. Er wusste genau was das bedeutete. Der Anteil der Milchsäure in seinen Muskeln war nun so hoch, dass es mehrere Liter reinen Sauerstoffs gebraucht hätte, um ihn zu retten. Aber dafür hätte er erst einmal an die Oberfläche zurück finden müssen.
Er war dem Tode geweiht und während ihm das bewusst wurde, spukte eine für ihn sinnlose Phrase durch seinen Kopf. Der Druck und Mangel taten ihr Übriges. Das Bild vor ihm verschwamm und seine Augen trübten sich.
Eine einzelne silberne Blase löste sich von seinen blauen Lippen und tanzte der glitzernden Wasseroberfläche entgegen.Dort angekommen löste sich jene beinahe wundersame Blase mit einem kaum hörbaren "Plopp" auf und die Moleküle vermengten sich mit dem Gasgemisch der Atmosphäre. Und keine der Personen, die eines dieser Moleküle einatmete und durch ihren Körper tanzen ließ, dachte auch nur eine einzige Sekunde daran, dass es einst der letzte verzweifelte Atemzug eines Sterbenden gewesen war.