Mittwoch, 2. April 2014

Briefe an einen Toten #1

Zu diesem Zyklus werde ich hoffentlich immer wieder mal einen Post veröffentlichen. Ich hoffe, es gefällt euch! :) Der Titel und der Inhalt des ersten Briefes sagen euch schon alles, was ihr dazu wissen müsst. ^^
Wenn euch interessiert, wie es weitergeht, bleibt einfach dran und schaut nach den Post-Titeln!


Mittwoch, 25. September 2013

Mein Liebster,
Heute bekam ich einen Anruf, als ich gerade von der Arbeit zu dir nach Hause aufbrechen wollte. Man teilte mir mit, du hättest einen schweren Unfall gehabt, als du mit dem Auto das kurze Stück über die Autobahn nach Hause fahren wolltest. Ich war ja noch nie ein besonderer Fan von der Tatsache, dass du für deine Arbeit pendeln musst.
Seltsamerweise kam mir just in diesem Moment unser Gespräch darüber in den Sinn. Du brachtest das Argument an, dass 20 Minuten auf der Autobahn noch keine Distanz seien, um von einem Pendler zu sprechen. Und ich wurde die Sorge nicht los, dass du trotzdem einen Unfall haben könntest. Wo du doch so oft absolut abgespannt nach Hause kamst, auch ohne, dass du immer lange fahren musstest. Ich kenne dich schließlich sehr gut und weiß, was dir der Beruf abverlangt! Dennoch habe ich mich breitschlagen lassen und nachgegeben. Warum weiß ich auch nicht so genau. Vielleicht, weil mir mein eigenes Berufsumfeld und meine Wohnung so gut gefielen... ich war so töricht!
Außerdem teilte man mir mit, dass du auf der Intensivstation liegen würdest und welcher Arzt sich um dich kümmern würde. Es schien mir alles so surreal. Als würde irgendetwas nicht stimmen.
Immer noch perplex fuhr ich eine halbe Stunde darauf zum Krankenhaus. Nach dem Telefonat war ich beinahe zusammengebrochen und die Kollegen hatten sich alle Mühe gegeben, mich aufzupäppeln und herauszufinden, was passiert war. Man bot mir an, ein Taxi zu rufen, aber das lehnte ich vehement ab. Schließlich brauchte ich mein Auto.
Die Leute im Krankenhaus waren freundlich aber kalt. Ich kann mir gut vorstellen, dass es einen innerlich Stück für Stück sterben lässt, jeden Tag so viel Leid zu sehen lässt... Ich verbinde so oder so kaum gute Erinnerungen mit Krankenhäusern, wie du weißt. Daher muss ich keine schlechte Nachricht mit mir herumschleppen, um mich an solchen Orten furchtbar zu fühlen.
Als ich dann endlich in dem Raum ankam, in den man dich verlegt hatte, traf mich der Schlag. Was ich sah, ließ mir die Beine unter dem Leib wegsacken und meinen Körper erzittern. Du lagst reglos da. Die Augen geschlossen, das Gesicht bleich und geschwollen. Wie eine Schwarz-Weiß-Zeichnung, die stark abstrahiert worden war. Man hatte dir an der Stirn deine dichten schwarzen Haare geschoren, um die Platzwunde nähen zu können. Und die Augenbraue hatte man dir geklebt. Die einzige Farbe bildeten die dunklen Blutergüsse auf deinen Wangen und Händen, die schlaff auf der weißen Bettdecke lagen.
Erst nach einigen Minuten habe ich mich getraut, an dein Bett heran zu treten. Überall an deinem Körper waren Schläuche angeschlossen und während die Maschinen um dich herum heftig zu arbeiten schienen, gabst du keinen Laut von dir. Nichteinmal, als ich ganz vorsichtig deine kühle Hand in meine nahm. Ich fühlte mich in diesem Moment so furchtbar verlassen.
Der Arzt sagte mir später, dass mehrere Rippen gebrochen und deine Organe ziemlich gequetscht seien. Im Grunde nichts gefährliches, nur dein Kopf machte ihnen Sorgen. Du hattest ein ziemlich heftiges Trauma erlitten und dein Hirn schien dadurch irgendwie beschädigt worden zu sein. Doch Niemand konnte mir etwas genaueres sagen. Also musste ich am Abend ohne genauere Angaben über deinen Zustand nach Hause fahren. Es fiel mir so unglaublich schwer, dich so verletzt und scheinbar hilflos zurück zu lassen. Aber mir blieb nichts anderes übrig.
Ich wäre so gerne bei dir! Schlafe gut!
                                                                       In Liebe

                                                                                     A.